Stille Nacht.
Was in der Dunkelheit entsteht
Die Nacht unterscheidet sich nicht nur durch Dunkelheit vom Tag. Sie ist ebenso eine Grenzerfahrung, voller Furcht und Faszination zugleich. Die Stille der Nacht kann bedrückend, aber auch beschaulich, feierlich und romantisch sein. Die Schlaflosigkeit in der Nacht weckt Gedanken und Gefühle, „innere Dämonen“, die wir seit jeher verarbeiten und nach außen tragen. So findet die Nacht ihren Ausdruck in den Kunstwerken der Malerei, den Kompositionen der Musik, aber auch in den Ritualen und Lichterfesten der unterschiedlichen Kulturen. Die Nacht kann beides sein: leidvoll und kreativ, mystisch und vertraut.
Kunst. Sehnsüchtige Mondnächte
Wer findet eine lauschige Mondnacht nicht romantisch? Das geheimnisvolle Licht und die andächtige Geräuschkulisse inspirieren die Kunst seit jeher. Die Nacht ist die perfekte Bühne für Malerei und Musik. Einerseits drücken die „Nachtstücke“ – Kunstwerke oder Lieder mit Nachtbezug – Gefühle aus: Liebe, Melancholie, Naturverbundenheit. Andererseits spiegeln sie die Doppeldeutigkeit der Nacht wider: Gut und Böse, Hell und Dunkel, Licht und Schatten. Opern wie Mozarts Die Zauberflöte vereinen diese Gegensätze in ihren Charakteren, während Gemälde die Farbenwelt einfangen.
In Mozarts Oper Die Zauberflöte durchlebt das Liebespaar Tamino und Pamina eine Nacht voller Chaos und Dunkel. Schließlich gelangen die Protagonisten zu der heilenden Erkenntnis: kein Licht ohne Schatten.
© Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
Lichterfeste. Zwischen Besinnung und Feier
Mit den Versuchen, das Dunkel zu erklären, geht auch immer der Wunsch einher, ihm etwas entgegensetzen zu können. Dabei bedienen sich unterschiedliche Kulturen des Lichts: sei es das Strahlen der Himmelskörper oder die heimische Kerze. Im Islam erhellt ein „strahlender, ruhiger und stiller Mond“ die Nacht, in welcher der Koran offenbart wurde. In einer Vollmondnacht findet Geburt, Erwachen und Tod des Buddha statt. Im Christentum wird die Geburt Christi von unzähligen Lichtern erhellt. Im Judentum läutet Kerzenschein sowohl Beginn als auch Ende des Sabbat ein. Nur mit Licht führt der Weg durch das Dunkel.
Die „schwebenden Lichter“ Khom Loi vor der thailändischen Tempelanlage Wiang Tha Kan ehren zum einen den Tempel selbst. Zum anderen symbolisieren sie den Neubeginn, den der Morgen nach der Nacht mit sich bringt.
© Lanna Photobook, 2013
Gothics. Die Kinder der Nacht
Aus der Punk- und New Wave-Szene der 1980er Jahre gehen die Gothics hervor. Sie greifen das Gefühl der Nacht auf und schaffen durch passende Accessoires, Mode und Musik eine eigene Kultur der Nacht. Schwarz ist Szenefarbe. Gothics sind von mystischen, morbiden oder melancholischen Themen fasziniert. Aber auch die Ästhetik des viktorianischen Zeitalters spielt eine große Rolle. Mittlerweile existieren zahlreiche – auch selbstironische – Subgenres, die man alljährlich beim international bekannten Wave-Gotik-Treffen in Leipzig erleben kann.
Kleidung ist für Gothics – die „Kinder der Nacht“ – eine wichtige Form des Ausdrucks und der Kommunikation. Mittlerweile gibt es zwar Spielarten in allen Farben und Formen, aber die vorherrschende Farbe ist nach wie vor Nachtschwarz – wie bei diesem selbstentworfenen Kleid.
© Janine Sielaff, Foto: Katharina Hahn