Sternenklar.
So finster die Nacht?
Am Abend legt sich die Dunkelheit wie ein schweres Tuch über die Erde. Beim Blick in den Nachthimmel ergeben sich Geschichten: sowohl die der Gestirne, als auch die ihrer Beobachter. Vor der flächendeckenden Ausleuchtung der Welt, ist der Mensch nur von einem sternfunkelnden Nachthimmel umgeben. Doch die rätselhaften Lichter des Kosmos berühren die Beobachtenden tief: Was bestimmt den Rhythmus am Himmel? Der Zufall oder feste Regeln? Was verbirgt sich in den Tiefen des Universums? Das nur von Sternen erleuchtete Dunkel provoziert die menschliche Phantasie, wirft Fragen auf und weckt den Forschergeist. Es ist der Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit der Nacht.
Göttliche Dunkelheit. Der Mythos Nacht
In der Frühzeit hat der Mensch keine Erklärung für die Prozesse hinter dem Wechsel von Tag und Nacht, für das ewige Ringen zwischen Hell und Dunkel. Kulturen aller Kontinente sehen im Nachthimmel den kosmischen Tanz ihrer Göttinnen und Götter. Die Personifizierung der Nacht macht sie greifbarer. Unsere Vorfahren glauben nun zu verstehen, wer die Nacht bevölkert und für das Dunkel verantwortlich ist. Mit Ritualen und Gebeten versuchen sie die mächtigen Gottheiten wohlgesonnen zu stimmen.
Der Urkundenstein ist nicht nur Dokument, sondern auch eine geweihte Stele mit dem „Angesicht der Götter“: Mondsichel, Stern und Sonnenscheibe. Die Himmelserscheinungen werden als Götter personifiziert und kultisch verehrt.
© Staatliche Museen zu Berlin – Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer
Sternenkunde. Der klare Blick in den Himmel
Wo hören Ehrfurcht und Mythologie auf, wo beginnt Astronomie? Die Grenzen zwischen Deutung und Beobachtung sind lange Zeit fließend. Spätestens mit Nicolaus Copernicus‘ Zweifel am erdzentrischen Universum, der Berechnung der Planetenbewegungen durch Johannes Kepler und dem Einsatz des Fernrohrs zur Himmelsbeobachtung durch Galileo Galilei wird der Blick in die Nacht klarer. Bald so klar, dass wir das Licht von 1.350 Lichtjahren entfernten Nebeln fotografieren können.
In den Geschichten, die sich am Nachthimmel abzuspielen scheinen, sucht der Mensch nach Sinn und Ordnung des Universums. Was sich dort ereignet, entnimmt er seiner Umwelt. Der Londoner Globenhersteller Greaves & Thomas lässt sich von Alice im Wunderland inspirieren.
© Greaves & Thomas, London
Hexen. Zwischen Folklore und Verfolgung
Zaubersprüche, fliegende Besen und magische Tränke – das populäre Hexenbild hängt eng mit dem der Walpurgisnacht am 30. April zusammen: Die Hexen versammeln sich zum Feiern auf dem Harzer Brocken. »Ein bisschen Diebesgelüst, ein bisschen Rammelei« – darauf freut sich schon Mephisto in Goethes Faust. Die Realität hinter dem literarischen Bild ist düster: In der Frühen Neuzeit werden in Mitteleuropa meist Frauen des Teufelspakts beschuldigt und nach Scheinprozessen hingerichtet. Die Ursachen für diese Massenhysterie sind vielschichtig. Sie können in geschlechtsbezogenen und abergläubischen Vorstellungen begründet sein.
Die unsichtbare Welt der nächtlichen Kreaturen wird sichtbar: Das Mailänder Künstlerduo Carnovsky zeigt mit ihrer begehbaren Lichtkunstinstallation, welche Geschöpfe die Nacht bevölkern. Treten Sie ein und entdecken Sie Grusel, Magie und Schrecken in Rot, Grün und Blau.
© Carnovsky, Mailand
Werwölfe. Der Mensch im Wolfspelz
Die Vorstellung, dass sich ein Mensch beim Anblick des Vollmondes in einen Wolf verwandelt, existiert bereits im alten Babylon. Meist ist der Werwolf einen teuflischen Pakt eingegangen oder wird von den Göttern zu diesem Doppelleben verflucht. Das Tierische im Mensch findet seinen Ausdruck im Dunkel der Nacht. Mischwesen spiegeln die uralte Angst vor, aber auch den Wunsch nach animalischer Kraft wider. Nicht umsonst vereinen zahlreiche Gottheiten diese Eigenschaften in sich. Tiermenschen lassen sich seit den Höhlenmalereien der Steinzeit bis hin zu den Harry Potter-Romanen finden.
Vampire. Blutsauger oder Sündenbock?
Mit übernatürlichen Eigenschaften ausgestattet – Unsterblichkeit, Verwandlung in Fledermaus, immense Kraft – geht der Vampir auf nächtliche Nahrungssuche. Sein Verlangen: Das Blut der Lebenden soll ihm neue Kraft spenden. Tageslicht schwächt oder vernichtet ihn. Die Literatur findet Inspirationen im südosteuropäischen Raum: Einerseits in Fürst Vlad III. Drăculea, der vom Pfählen seiner Feinde besonders angetan gewesen sein soll. Andererseits im Volksglauben, der in den „Wiedergängern“ sündig gewordene Gemeindemitglieder sieht, die weder tot noch lebendig sind.
Knoblauch, Holzpfähle und christlich geweihte Gegenstände: Der Vampirjägerkoffer aus dem Jahr 1880 beinhaltet unterschiedliche Utensilien zur Bekämpfung von Vampiren.
© Museum für Kommunikation Berlin, Foto: Philipp Jester
Nachtmahre. Bittere Träume
Wir alle kennen die verwirrende, furchteinflößende Erfahrung eines Albtraums. Ist eine kleine, nachtaktive Kreatur für die schlechten Nächte verantwortlich? Der Nachtmahr oder Alb – von „Mara“ für Dämon und „Elfe“ abgeleitet – setzt sich auf unsere Brust und verursacht so den „Albdruck“ wenn wir schlafen. Das unbewusste Leiden spiegelt sich in den Träumen wider. Die Wissenschaft sieht in Psyche oder Körper Auslöser für die Albträume, die meist in der zweiten Schlafhälfte auftreten. Durch die rätselhaften Träume verarbeiten wir Erlebtes.
Achim Bornhaks (AKIZ) Film inszeniert den Nachtmahr als Vermittler zwischen den Welten: Tag und Nacht, Einbildung und Realität, Jugend und Alter. Er symbolisiert weniger den Albtraum, sondern mehr den inneren Dialog auf der Suche nach sich selbst.
© OOO-Films, Foto: LIGA 01 Computerfilm, Design: AKIZ